Wir sind fest davon überzeugt, dass die Länder des MERCOSUR und die EU ihre Beziehungen verbessern und verändern müssen. In den letzten drei Jahren haben soziale Bewegungen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften und Bauernverbände auf beiden Seiten des Atlantiks gemeinsam erfolgreich dafür gekämpft, die Ratifizierung des EU-Mercosur Handelsabkommens zu verhindern. Das vorgeschlagene Abkommen würde in erster Linie Konzerninteressen dienen, auf Kosten der planetarischen Grenzen, der indigenen Völker, der bäuerlichen Familienbetriebe, der Arbeitnehmer*innen und des Tierschutzes. Es würde auch die Deindustrialisierung vorantreiben, und soziale Gräben vertiefen. Über diese Auswirkungen kann auch mit ein paar Zusatzdokumenten nicht hinweggetäuscht werden. Unsere derzeitigen Wirtschaftsbeziehungen basieren ohnehin schon auf einem asymmetrischen Machtverhältnis und ungleichen Handelsbeziehungen, geprägt durch die Kolonialgeschichte, und mit verheerenden Auswirkungen für Menschen, Tiere und den Planeten.

Deshalb sind wir, die unterzeichnenden Organisationen, der Meinung, dass das EU-Mercosur Abkommen gestoppt werden muss. Es ist an der Zeit, unsere gemeinsame Zukunft auf die Grundsätze von Solidarität, Gleichberechtigung, Zusammenarbeit, Nachhaltigkeit und Demokratie zu bauen. Unser Ziel ist kein hemmungsloser und unkontrollierter Handel und Profite für einige wenige, sondern ein gutes Leben für alle. Der Handel kann uns beim Übergang zu nachhaltigen Gesellschaften und Produktionsmethoden helfen – aber nur, wenn wir ihn auf neue Pfeiler stellen. Die Verhandlungen über politische, wirtschaftliche und nachhaltige Handelsbeziehungen zwischen unseren beiden Regionen sollten daher auf den folgenden Grundsätzen beruhen:

Solidarität

Unsere künftigen Beziehungen sollten nicht auf Ausbeutung, sondern auf Solidarität beruhen. Deshalb müssen wir die Menschenrechte, Arbeitnehmer*innen, indigene Völker, bäuerliche Familienbetriebe, den Tierschutz sowie den Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas in den Mittelpunkt stellen. Deren Rechte müssen universell garantiert werden, ihr Schutz muss Vorrang vor jeglichen Handels- oder Geschäftsinteressen haben und im Rahmen der internationalen Menschenrechtsgesetze durchsetzbar sein. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass transnationale Konzerne von wirtschaftlichen Ungleichgewichten und ungleichen Rechten profitieren.

Unsere Zukunft solidarisch zu gestalten, bedeutet auch, die äußerst ungerechten Beziehungen, die Kolonialgeschichte, und die daraus resultierende Ausbeutung anzuerkennen und zu korrigieren. Dazu müssen wir uns aktiv um die Dekolonisierung unserer Beziehungen bemühen. Das beginnt damit, dass wir Europas historische soziale, ökologische und finanzielle Schulden sowie unsere Verantwortung für die Klimakrise gegenüber den Menschen in den Mercosur-Ländern anerkennen, und Konsequenzen daraus ziehen. Wir müssen diese Schulden zurückzahlen, unter anderem durch die staatliche Finanzierung von Entwicklungsprojekten, die den Aufbau gerechter und nachhaltiger Gesellschaften in den Mercosur-Ländern fördern. Im Handel hieße dies, umfassende Sonder- und Vorzugsbehandlung für die Mercosur-Länder, deren Industrie und Produzenten zu gewährleisten. 

Gleichberechtigung

Die Handels- und Investitionspolitik hat bisher dazu beigetragen, Ungleichheiten zwischen Regionen und Menschen zu verstärken. Patriarchale, rassistische und neokoloniale Machtverhältnisse wurden zu Gunsten multinationaler Konzerne und Großgrundbesitzer gefestigt. Ein künftiges Abkommen muss den Kurs ändern und zu mehr Gleichberechtigung beitragen. Ein erster Schritt sind die Anerkennung indigener Rechte und die Unterstützung indigener und ländlicher Gemeinschaften, einschließlich afro-brasilianischer Quilombolas, landloser und kleinbäuerlicher Familienbetriebe in Europa und im Mercosur, von Flussgemeinschaften (Ribeirinhos) und Kleinfischern bei der Erhaltung ihres Landes und ihrer Kultur, und der Vermeidung des Handels mit Produkten, die diese bedrohen könnten.

Es bedeutet auch, Wirtschaftsmodelle zu überwinden, die sich unbezahlte und unterbezahlte Reproduktionsarbeit auf beiden Seiten des Atlantiks aneignen sowie Frauen auf dem Arbeitsmarkt diskriminieren. Stattdessen sollte ein künftiges Abkommen öffentliche und gemeinschaftliche Ansätze für Pflege und Fürsorge fördern. Daher müssen Sorgearbeit und öffentliche Dienstleistungen, die vom Staat als Menschenrecht garantiert und auf nicht gewinnorientierter Basis bereitgestellt werden, lokal verankert sein und in jedem internationalen Abkommen respektiert werden.

Zusammenarbeit

Wir sollten unsere Beziehungen auf Zusammenarbeit aufbauen, nicht auf Konkurrenz. Nur große Konzerne gewinnen, wenn man Arbeiter*innen und Bäuer*innen gegeneinander ausspielt.

Die EU und der Mercosur sollten in der Lage sein, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Familienbetriebe vor unfairem Wettbewerb zu schützen, und der Mercosur sollte in der Lage sein, einheimische Industrien zu schützen, die qualitativ hochwertige Arbeitsplätze bieten.

Zusammenarbeit bedeutet, dass wir den Handel zwischen unseren Ländern nicht zum Selbstzweck steigern, sondern in erster Linie Handelspartnerschaften für Produkte verbessern, die nachhaltig produziert werden und auf der anderen Seite nicht erhältlich sind.

Jedes künftige Abkommen muss Wissens- und Technologietransfer begünstigen, ohne den Schutz geistiger Eigentumsrechten, die von Unternehmen kontrolliert werden. So können wir den notwendigen sozialen und technologischen Wandel unserer Volkswirtschaften durch gegenseitiges Lernen unterstützen.

Nachhaltigkeit

Ein künftiges Abkommen muss zu einem Wandel hin zu nachhaltigen Gesellschaften und Produktionsmethoden beitragen. Es sollte auf den Grundsätzen der Ernährungssouveränität, der Agrarökologie und der Fürsorge beruhen. Gegenseitige hochwertige Standards müssen in allen Bereichen gewährleistet werden, nachdem die EU Schritte zur Dekolonialisierung unternommen hat und die differenzierte Sonderbehandlung in Kraft getreten ist.

Nachhaltigkeit ist nichts, was man am Ende eines Abkommens in einem separaten, nicht durchsetzbaren Kapitel hinzufügt, sondern ein grundlegendes und übergreifendes Thema. Deshalb sollten wir darauf hinwirken, dass nur Produkte gehandelt werden, die für den Planeten, die Tiere und die Menschen nicht schädlich sind. Das bedeutet, dass wir den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Monokulturen wie Soja und Zuckerrohr sowie aus der Massentierhaltung einstellen müssen. Denn diese begünstigen die Abholzung der Wälder, den Verlust der biologischen Vielfalt und die Ausbreitung von Zoonosen. Stattdessen sollten wir mit nachhaltigen Produkten handeln, und möglichst lokale und einheimische Erzeugnisse bevorzugen. Es bedeutet auch, dass wir die Ausfuhr schädlicher und gefährlicher Produkte, wie z. B. verbotener Pestizide, in den Mercosur stoppen müssen. Nachhaltiger Handel bedeutet außerdem, die verkehrsbedingten Emissionen zu reduzieren. 

Unsere Beziehungen können nicht auf der Ausbeutung und dem Handel von Rohstoffen mit niedriger Wertschöpfung zum Nutzen der europäischen Wirtschaft beruhen. Die Menschen im Mercosur müssen das Recht haben, sich gegen schädliche Abbaupraktiken auszusprechen und einen fairen Preis für ihre Rohstoffe zu verlangen. Unsere Handelsbeziehungen müssen sich auf nachhaltige Produktionsmethoden und auf Produkte konzentrieren, die entweder in der EU oder im Mercosur nicht erhältlich sind.

Demokratie

Die Beziehungen zwischen den Ländern des Mercosur und der EU dürfen nicht hinter verschlossenen Türen entschieden werden. Jedes künftige Abkommen muss entlang der genannten Grundsätzen in einem demokratischen, partizipativen und transparenten Verfahren ausgehandelt werden. Ein solcher Prozess muss die am meisten betroffenen Menschen in den Mittelpunkt stellen. Indigene Völker, Klein- und Familienbauern- und bäuerinnen, Frauen und Männer, Arbeitnehmer*innen und die Zivilgesellschaft müssen die Verhandlungen anführen, um zu gewährleisten, dass ihre Interessen und die planetarischen Grenzen respektiert werden. Die Rechte der indigenen Völker auf freie, vorherige und informierte Zustimmung müssen respektiert werden, und die Menschen in beiden Regionen müssen das Recht haben, NEIN zu jedem Abkommen zu sagen, das nicht ihren legitimen Interessen und Bestrebungen für demokratische, nachhaltige und gerechte Gesellschaften dient.

Darüber hinaus muss jedes künftige Abkommen den größtmöglichen politischen Spielraum für die Regierungen sichern, damit sie ihre demokratischen Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllen können. Es sollten keine Handels- und Investitionsklauseln in ein Abkommen aufgenommen werden, die diesen politischen Spielraum bedrohen könnten. Unsere gemeinsame Zukunft hängt von robusteren Demokratien und den Möglichkeiten zur Partizipation der Bevölkerungen und der Durchsetzung von auf ihre Bedürfnisse ausgerichteter Politik ab. Die Stärkung und weitere Verankerung von korporativen Einzelinteressen und der Macht von Unternehmen steht dieser Zukunftsvision im Weg.

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